Da tut sich was
Neue Wege Kreis Bergstraße: Innovatives Projekt für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen

Pressekonferenz zu eoPLUS (v.l.n.r.): Erster Kreisbeigeordneter Thomas Metz, Projektleiterin eoPLUS Christine Herzberg-Pirih, Fallmanager eoPLUS Dieter Lohstroh-Kussowski und Erster Betriebsleiter Stefan Rechmann
Der Eigenbetrieb Neue Wege Kreis Bergstraße -Kommunales Jobcenter- bietet künftig mit dem Projekt „eoPLUS“ eine innovative Maßnahme zur Vermittlung von Langzeitarbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen an.
„In unserer Gesamtstrategie ergänzt eoPLUS die Einstiegsoffensive, damit wird unser Grundangebot komplett“, erklärt der Erste Kreisbeigeordnete und Sozialdezernent Thomas Metz, der das neue Förderinstrument gemeinsam mit Betriebsleiter Stefan Rechmann und Projektmitarbeitern der Öffentlichkeit vorstellte. „Wegen der innovativen Elemente stößt eoPLUS auch bei den Sozialministerien von Bund und Land auf großes Interesse und der Verlauf des Projekts wird aufmerksam verfolgt“, so Metz.
Es hat sich gezeigt, dass die Einstiegsoffensive - ein Sofortprogramm, das seit 2008 für eine intensive Beratung und eine zügige Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Arbeit steht - nicht für alle Langzeitarbeitslosen geeignet ist. Rund ein Viertel der Antragsteller, häufig Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, benötigen eine andere Form der Unterstützung. Hier nun setzt „eoPLUS“ mit einer gänzlich neuen Konzeption und einer innovativen Herangehensweise an.
Ein medizinscher Eingangs-Check soll Aufschluss geben, ob und inwiefern der Kunde, der bei der Antragstellung gesundheitliche Beschwerden angibt, Einschränkungen unterliegt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Maßnahme eoPLUS entwickeln in den folgenden zwei Wochen gemeinsam mit Ärzten, Coaches und Psychologen einen Gesundheits- und Integrationsplan. Dieser stellt zusammen, welche Beschäftigungsangebote auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgeübt werden können und welche begleitenden medizinischen Therapien, wie beispielsweise Krankengymnastik, zur Genesung oder Verbesserung des Allgemeinbefindens notwendig sind. Schwerpunkt bilden hierbei die bestehenden Angebote im Gesundheitswesen, speziell der Krankenkassen, die den Kunden zugänglich gemacht werden sollen. „Neue Wege möchte den Zugang zum Gesundheitssystem verbessern und die Kunden „gesundheitlich auffangen“, erläutert der Erste Betriebsleiter Stefan Rechmann.
In einem nächsten Schritt wird der Gesundheits- und Integrationsplan umgesetzt. Unter der Grundidee „Jeder kann etwas“ steht dabei die Erwartung, dass sich auch Menschen mit gesundheitlichen Problemen voll und ganz dafür einsetzen, ihre Arbeitslosigkeit schnellstmöglich zu beenden. Dies erfordert allerdings auch, ein individuell zumutbares Arbeitsangebotes zu akzeptieren und konsequent an allen geeigneten Aktivitäten teilzunehmen, die darauf abzielen, „fit“ für den Arbeitsmarkt zu werden. Dazu gehört ebenso, gesundheitlich Hilfe, etwa verordnete Therapien, anzunehmen. Praxisjobs und Arbeitserprobungen ermöglichen den Kunden neue Erfahrungen in der Arbeitswelt zu sammeln und Kontakte zu künftigen Arbeitgebern zu knüpfen. Während dieser Phase erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Jobcoaching mit individueller Begleitung. Aus den Rückmeldungen der Arbeitgeberlässt sich der weiteren Qualifizierungsbedarf erkennen.
Mit Rückkehr in die Berufswelt endet das Unterstützungsangebot nicht abrupt. Das eoPLUS-Konzept sieht eine Nachbetreuung derjenigen, die ein Arbeitsverhältnis aufnehmen konnten, vor. Dabei ist auch der Arbeitgeber einbezogen, um etwaigen Komplikationen (Abbruch, Auflösung des Arbeitsverhältnisses) vorzubeugen.
„Unter den Personen, die bisher nicht arbeiten konnten, sind viele Fachkräfte. Diese gilt es zu mobilisieren und fit für den Arbeitsmarkt zu machen, gerade auch im Hinblick auf den kommenden Fachkräftemangel“, so Metz abschließend.
Hinweis: eine graphische Darstellung von eo-PLUS kann auf dieser Seite heruntergeladen werden.
Fachstelle für Schwerbehinderte im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Seit März 2005 ist die Fachstelle für Menschen mit Behinderung innerhalb der aktivierenden Hilfe der Kreisagentur tätig. Zuständig sind 2 Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen Behinderungen (hochgradig Sehbehinderte und Rollstuhlfahrerin), ausgebildet als Reha- und Diplom-Pädagogin. Ca. 350 besonders beratungsintensive Fälle erfordern einen Zeitaufwand von 65 Wochenstunden.
Die Beratung durch selbst betroffene, behinderte Menschen beruht auf dem Prinzip des Peer Counseling, das in der „Selbstbestimmt-Leben-Bewegung“ in Deutschland entwickelt wurde. Für viele Ratsuchende erleichtert dieses Konzept das Sprechen über die eigene Behinderung und für die Berater den Einstieg in neue Kompetenzen. Für die Kunden bedeutet dies, dass durch intensives Beraten und Profilen (Profilieren) eine angemessene Vermittlung in den Arbeitsmarkt möglich wird und das Prinzip „Fördern und Fordern“ adäquat und ressourcenorientiert umgesetzt wird.
Instrumente der praktischen Umsetzung:
- Auf die Behinderung bezogenes Profiling
- Aufbau von Netzwerken
- Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen und Gruppen
- Bereitstellung spezieller Möglichkeiten zusätzlicher, gemeinnütziger Arbeit
- Weitere Fördermöglichkeiten im Rahmen der Eingliederungszuschüsse
- Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Integrationsamt, der Servicestelle für Rehabilitation und dem Rentenversicherungsträger
- Enge Zusammenarbeit mit dem hausinternen Arbeitgeberservice zur Akquise von behindertenfreundlichen Arbeitsplätzen
- Enge Zusammenarbeit mit der hausinternen Fachstelle für Rehabilitation
- Einbeziehen ortsansässiger Integrationsbetriebe
sowie - Kooperation mit dem Integrationsfachdienst (IFD):
Dazu wird eine bestimmte Anzahl Kunden nach Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung einem Berater des Integrationsfachdienstes zugewiesen. Dieser Berater hat im Vorfeld die Möglichkeit, mit potentiellen Arbeitgebern auch Zuschussmöglichkeiten zu besprechen. Zusammen mit der Fallmanagerin wird ein Hilfeplan mit dem Ziel „sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“ erstellt. Geeignete Hilfsmittel sind z. B. Praktika, EDV-Fortbildungen und die Bewerbung über das Internet. Die Kooperation mit dem IFD ist vertraglich geregelt und wird vergütet. Bei Vermittlung erhält der IFD eine Vermittlungsprovision. Trotz der schwierigen Aufgabenstellung wurde 2006 eine Vermittlungsquote von 20 % erzielt.
Fallbeispiele:
Eine 26 Jahre alte Frau, durch eine fortschreitende Augenerkrankung stark sehbehindert, von Beruf ausgebildete Telefonistin, konnte nach kurzer, intensiver Phase der Aktivierung (GZA, Vermittlung an den IFD, Beratungsgespräche mit Fallmanagerin) in eine Stelle als Telefonistin beim LKA-Wiesbaden vermittelt werden. Die Stelle ist unbefristet und wird mit einem Eingliederungszuschuss gefördert. Die junge Frau kommt komplett aus dem Leistungsbezug.
Ein 59 Jahre alter, nach Schlaganfall halbseitig gelähmter Mann, ausgebildeter Mediengestalter, konnte nach einjähriger GZA im Archiv eines Museums des Landkreises in eine bis zum Rentenalter befristete Arbeitsstelle übernommen werden. Die Stelle wird mit einem Eingliederungszuschuss gefördert, der durch Mittel aus dem hessischen Sonderprogramm aufgestockt wird. Der Kunde kommt komplett aus dem Leistungsbezug.